So-Jin Kim - neue Arbeiten

 

 

Vernissage am 10. November 2017, 19 bis 22 Uhr

Hier finden Sie ein Beitrag von Radio LeineHertz von der Vernissage der Austellung





 

Essen Sie alles?

Die Bilder von So-Jin Kim sind, wenn ich es aus meiner Sicht als einfacher Europäer sehe, sehr asiatisch, spezifischer: sehr koreanisch. Das aber sieht man erst, wenn man Korea etwas kennt.

Korea ist ein Land mit viel Lust zur klaren Farbe. Es gibt keine Färbchen und Tönchen, sondern Farben. Als hätten die Koreaner zu den drei Primärtönen, nochmal 3 dazu erfunden.

Die Palette von So-Jin Kim ist so arrangiert wie die endlosen blinkenden elektronischen Werbetafeln in Myeong-Dong in Seoul. Die Übersicht zu behalten versteht die Künstlerin dabei gut, die Nachbarschaft der einzelnen Farbtupfer ergibt immer neue Kombinationen, weit mehr, als die französische Palette des 18. Jahrhunderts mit all ihren Pastelltönen hergegeben hätte.

Der europäische Maler heute mischt in jede Farbe etwas Weiß, und oft etwas Schwarz. So wie man beim Kochen immer Salz und etwas Zucker dazugibt. Daraus ergibt sich der Grauschleier, der diese Bilder zusammenhält.

So-Jin Kim kommt ohne aus.

Steht man in ihrem Atelier, ist man beeindruckt von den vielen unterschiedlichen Formaten, die auf dem Boden stehen. Einiges fertig, einiges nicht. Man fährt die Oberflächen mit dem Auge ab, und es stellt sich eben dieser Myeong-Dong Effekt ein. Genau wie in jenem wunderbaren Einkaufsviertel erfährt man auch hier im Atelier Genusslust, Freude am Sehen. Hereinspaziert! Hier gibt’s was Besonderes.

Die Themen von So-Jin Kim haben freilich nichts zu tun mit den Shopping-Gängen in eleganten Einkaufsstraßen. Ihre Themen haben nichts mit Konsum zu tun.

Sie handeln von Leben, Landschaft, Natur, Essen, Reisen, dem Aufnehmen aller fremden Eindrücke und deren Bewältigung und Verarbeitung in unendlichen Variationen von Bildern und Malerei.

Ihr Leben ist so bunt und vielfältig, weil sie reist, seit 13 Jahren auf Achse ist, in 100 Ländern, in hundert Häusern lebte, und in jedem Haus andere Bilder malte. Sie hat in Deutschland lange gelebt, dann in der Schweiz, in Spanien, war oft in Italien und Frankreich.

Nehmen wir einmal die Erfahrung des Essens. In der ganzen Welt identifizieren sich die Menschen mit ihren Speisen, landeseigenen Essenserfindungen, und Geschmacksrichtungen. Der Italiener liebt frische Pasta, der Spanier Kaninchen, der Franzose Huhn in Wein, und der Amerikaner träumt vom saftigen Stück Fleisch. Die Koreaner träumen von den 1000 und einer Schale, die auf dem Tisch stehen, gefüllt mit 1001 verschiedenen Speisen.

Mehr als durch das heimatliche Gefühl, mehr als durch die Gene werden wir soziologisch bestimmt durch die Dinge, die wir essen. Und überhaupt erfährt man eine fremde Kultur nur, wenn man die Dinge isst, die dort gegessen werden. Essen Sie Austern? Essen Sie Yams? Trinken Sie Ziegenmilch? Mögen Sie Schildkröte?

Es verhält sich ähnlich mit der Landschaft. Wie oft beobachten Sie, dass die Menschen genauso reden, wie ihre Landschaft aussieht. Erst indem wir diese Landschaft begehen und an ihr schnuppern, verstehen wir alles andere, was sich darin bewegt.

Man versteht die Malerei der Renaissance, wenn man die Toscana sieht; man begreift die, wie die Impressionisten, wenn man sich in Frankreich zur Mittagszeit neben einem Bach zu einem Picknick niederlässt, und die duftenden Wiesen einatmet; man sieht den wattigen Horizont von van Goyen, wenn man am holländischen Meer steht.

Der Künstler ist prädestiniert all diese Dinge zu erfahren, wenn er den Mut hat. Er kann sie verarbeiten, und daraus Schlüsse ziehen, oder einfacher: Bilder malen.

Bilder, durch die wir intellektuell erfassen können, was das Menschsein ausmacht.

Genau diesen Mut hat So-Jin Kim bewiesen und malt uns Bilder, mit denen wir die Welt ein bisschen besser verstehen können.

Johannes Hüppi, 2013