Grettell Arrate, Santiago de Cuba - 20.04.07 bis 24.05.07

Grettell Arrate, Santiago de Cuba - 20.04.07 bis 24.05.07

Grettel Arrate, eine Künstlerin aus Kuba, einem Land, in dem der politische Umbruch unmittelbar bevorsteht. Geprägt ist Kuba durch Fidel Castro, der seit 1976 als Präsident (seit 1959 Regierungschef) die Geschicke Cubas bestimmt und der die derzeit wirtschaftliche Situation des Landes initiiert hat. Hiermit direkt verknüpft sind die Möglichkeiten der  künstlerischen Ausbildung und des künstlerischen Lebens.

 
Sie ist Künstlerin (Malerin, Grafikerin),  Direktorin des staatlichen Centro  Provincial für Kunst und Design, Santiago de Cuba sowie Vize Präsidentin des Verbandes bildender Künstler der Kubanischen Schriftsteller- und Künstlergewerkschaft.

 

"Zwei Geschichten und etwas mehr" ist  die Fortsetzung der 2004 in Santiago de Cuba gezeigten Ausstellung Alltägliche Geschichten, deren Stil und Technik die nach 2004 entstandenen Arbeiten aufgreifen.
In der Ausstellung heute geht es um die Sichtweise des Menschen auf seine innere und äußere Welt sowie  Kuba, gezeigt in den Themenbereichen Religion, Mode (Rastabilder), Familie und am Menschen als bloßem also nacktem Individuum.

 

Beherrschendes Thema im Oeuvre von Grettel Arrate ist die kontrastierende Gegenüberstellung von technischen, konstruktivistischen Elementen, zumeist glatte, metallisch reflektierende zylindrischer Formen in Air Bruch Technik auf der einen Seite, mit organischen, z.T. vegetativ floralen, z.T. amorphen Formen oder menschlichen Gestalten, dargestellt in zeichnerischer Mischtechnik, auf der anderen Seite.
Grettel Arrate gelingt hierbei eine technisch aufwändige und gekonnte Verflechtung dieser Elemente wodurch sich bei längerem Betrachten eine bemerkenswerte Räumlichkeit erschließt.

 

Was macht diese Räume aus?

Die frühen Arbeiten1996-98 (Rote Landschaft mit Torso, Anderer Swing in Grün, Anderer Swing in Rot, Anderer Swing in Blau) zeigen einen schichtweisen Aufbau: vor einem diagonal gestreiften Hintergrund, der durch Höhungen als eine Addition zylindrischer Großformen gegeben ist, legt sich ausschnitthaft organische Malerei: Fantastische Körperformen, die mit augenartigen Organen hinter die Oberfläche zu  schauen scheinen. Diese Papierarbeiten weisen schon 1996 auf Grettel Arrates Thema hin, die Auseinandersetzung mit Systemstrukturen in denen sich das kubanische Alltagsleben bewegt.

Entwicklung:
Die bei den frühen Arbeiten noch im Hintergrund und in einer Ebene liegenden, glatten metallischen Elemente in technisch hochanspruchsvoller Spritztechnik prägen nachhaltig die späteren Arbeiten als eigenständiges Element.

Auf diesen Arbeiten ab ca. 2002 sind Gegenstände des Alltags erkennbar.
"Zwei Geschichten und etwas mehr" sind visualisierte Alltagsgeschichten aus Kuba. Papierflieger, Drachen, Schirme, Stühle, Hängematten und Windpropeller. Diese die Künstlerin seit ihrer Kindheit umgebenden Gegenstände macht Grettel Arrate durch Abstraktion zu ihrem eigenen Thema: "Windräder, Drachen, Schirme, Boot" - indem Arrates Zylinderformen den abstrahierten Gebrauchsgegenstand formen, enthebt sie die Gegenstände ihrer Alltagstauglichkeit  und schafft neue Bezüge.

Eine metallische Härte der Zylinderstäbe und kräftige Farbigkeit prägen die Arbeiten dieser Werkreihe. Engen die Stabformen ein oder werden die zerfallenden Räume von Stäben zusammengehalten? - Korsett oder eingeengter Raum. Die Künstlerin gibt keine eindeutigen Hinweise.

Und doch:
Der gesellschaftlich kontroverse Kontext ausgedrückt durch das Stilelement zylindrischer Metallstäbe zieht sich durch das gesamte Werk Grettel Arrates. Es entstehen unpassierbare Räume, Arretierungen, Synonym für nicht umsetzbare Handlungen.

In den Arbeiten "Ivan der Schreckliche, Erich der Rote, Zwischen blauen Pfosten- Du und ich" durchkreuzen glatten Stäbe in allen Ebenen den Raum, formal gekonnt die Figuren einbindend. Die jetzt dunklere, und damit bedrohlicher wirkende Farbigkeit der Stäbe kombiniert mit einer metallischen Härte der gespritzten Staboberflächen kontrastieren mit dem zwischen den Stangen verfangenen Menschen - einem nackten mit tiefen Schatten umgebenen Menschen.

Die Nacktheit, Direktheit. Es geht um den Menschen selbst, erkennbar auch am zeichenhaft eingefügten Herzent. Er steht in Gefahr, sich mit jeder weiteren Bewegung noch weiter in dem chaotischen, d.h. unberechenbaren Gitter zu verfangen, das ihn umgibt - Ausweglosigkeit aber auch Kraft zu widerstehen, standzuhalten prägt diese Arbeiten.
Als europäische Betrachter könnten wir diese gesichtslos bedrohliche Einengung auch der politischen Situation in Kuba zuschreiben, die Künstlerin lässt hier viele Interpretationen offen.

Da in einer Diktatur wie Kuba Kritik am System nicht offen ausgesprochen werden darf, bleibt es dem Betrachter überlassen Grettels Arbeiten eine politische Aussage zu entnehmen.

Falsch ist dieser  Bezug sicherlich nicht - Aber: machen wir es uns damit nicht sehr leicht?  Viele Menschen auch in Europa, ja in Deutschland erleben die medial veränderte Welt als ebenso gesichtslose Bedrohung, erleben sich isoliert und ohnmächtig in einer sich zunehmend individualisierenden Gesellschaft.

Es sind elementare individuelle Lebenswirklichkeiten, die die Künstlerin Gretel Arrate in ihrer ausdrucksstarken Bildsprache erfasst - Eine Anregung für uns, sich darauf einzulassen.

Und damit Sie nicht im Off der Isolation verloren bleiben - das jüngste der ausgestellten Arbeiten (Ort zeigen, noch nicht Titel nennen) von 2007 weist einen versöhnlichen Weg. Die Stäbe sind schmaler, zumeist an den Rand gerückt und weniger metallisch kalt. Zwei Köpfe sind schematisch als Fläche angelegt erkennbar. Ihnen zugeordnet jeweils ein zeichenhaftes Herz, wie wir es bereits aus den früheren Werken kennen - hier ist dem Herz jeweils ein @ einbeschrieben, konstitutives Merkmal jeder email-Adresse. Im Kontext dieses Werkes ein Hinweis auf Kommunikation: zwischenmenschliche Beziehung also lässt die kalten Verstäbungen an den Rand weichen? Ganz eindeutig ist diese Aussage nicht, denn der Titel lässt die Möglichkeit der Illusion offen: Rasta As. Ein Hinweis auf eine Mode auf Kuba, die Möglichkeit über körperliche Schönheit das Leben einfacher zu machen (Rastamänner sind beliebt und haben oft die Möglichkeit über Heirat ins Ausland zu gehen) und ein spielerisches Element zu erleben.


 

 


(c): www.galerie-holbein4.de - 19.04.2024 16:10
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